Freitag, 15. Juni 2012

live aus dem wochenende

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Allein zu Hause ist es noch immer am Schönsten...
Ein Wochenende 5er WG, ohne 5-WG-Bewohner. - Hier der 'Live-Bericht':

Kein fremder, aber ein befremdlicher Moment, wenn sich 5 Mitbewohner ein schönes Wochenende wünschen und dann ihrer Wege gehen.
Dieses Wochenende ist es wieder so weit. 
- Die 5er-WG und ich sind uns selbst überlassen.
Und ich? 
Ich finden es schlicht weg gut!

Diese durchaus leicht extravagant, dekadente Situation beginnt bereits am Freitag-Abend (heute), wenn ich nach Hause komme...

Ich betrete den langgezogenen Flur und lasse die schwere Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Das Tageslicht fällt durch die staubigen Trennwandregale in den Flur. Mein Schritte hallen geradezu auf dem Linoleum-Fußboden. 
Für einen Augenblick halte ich inne und lausche auf das Nichts in der Wohnung. 
- Da ist kein Geraschel, kein Gemurmel, kein Teller geklapper oder gedämpftes 'Musik wummern'. 

Die Wohnung wirkt wie abgestandene Luft. Irgendwie noch zu was zu gebrauchen, aber abgenutzt.

Ich werfe meine Sachen auf einen Küchenstuhl und schlendere zum Kühlschrank. Ein kontrollierender Streifblick auf die leeren Regalfächer der Anderen.
Automatisch greift meine Linke nach der Wasserfalsche in der Kühlschranktür. Gedanken verloren starre ich aus dem Fenster über der Arbeitsplatte. Die Stille um mich her, erfüllt meinen Kopf mit Gedanken, die nach draußen schwingen. 

Müde wandere ich um den mit Krümel übersäten Tisch und lasse mich auf dem Flur nieder.
Mein Blick haftet an den Zimmertüren, hinter denen niemand heute Nacht schlafen wird.
Ich lege den Kopf in den Nacken, atme tief ein und genieße es nur da zu sitzen und nichts zu tun. 

Eine verlassene WG ist in meinen Augen eine Art Weisenkind: verloren und leblos steht sie wartend da, um mit studentischem Kommen und Gehen erfüllt zu werden.

Das wochendliche 'Nach-Hause-Fahren' ist ein Trend, den ich nicht mit mache - Zum Einen, weil der Weg in die Heimat viel zu weit ist und zum Anderen, weil ich nichts von halbherzigen Wohnsituationen halte. Mein zu Hause ist diese 5er WG. Hier lebe und arbeite ich. Hier gehöre ich derzeit hin!
Die WG fliegt aus und die Je#e bleibt also zu Hause, um sich zu fragen warum man ständig woanders sein will (so wie die WG-Nachbarn). 
- Vermutlich glaubt man etwas zu verpassen, wenn man die Zelte in einer Stadt abbricht und woanders neu beginnt. Doch ich empfinde das anders. Warum ständig zwei Lebensräume halbherzig zu beleben versuchen, wenn man in einer Stadt/ einer Wohnung sich ganz und gar frei ausleben und neu erfinden kann? (- Aber HIER würde ein ganz neues Thema beginnen, dass ich jetzt nicht weiter ausführen will!)



Der Boden ist noch krümeliger als der Küchentisch und deshalb stehe ich auf, um in mein Zimmer 'zu eiern'. Ich fahre den Laptop hoch und gehe mit offener Badezimmertür duschen. - Kuckt und kommt ja eh keiner...
Mit dem umgeschlungenen Handtuch stehe ich dann später wieder in der Küche vor den Herdplatten und setzte mir einen Kaffee auf. 
Vor dem Fenster lärmen Singvögel in den Bäumen.
Abwartend stehe ich vor dem noch nicht kochenden Kaffeebrüher und frage mich warum ich das Gefühl habe, dass es schneller geht, wenn ich den Brüher beobachte. 
Meine Gedanken schweifen erneut ab und bilden ein buntem Rauschen aus. 
Mancheiner würde diesen Zustand als Einsamkeit oder Langeweile betiteln, doch weder das Eine noch das Andere trifft auf mich zu.


Vor der Haustür spekulieren meine Nachbarn aus der 2. Etage bei einer Zigarette lauthals über den bevorstehenden Party-Abend (,das kann ich trotz 5. Etage Glas klar hören). Keine zehn Pferde könnten mich heute zum Feiern bringen, schießt es mir unweigerlich durch den Kopf. Als Folge breitet sich ein Gefühl von Dankbarkeit in mir aus, weil ich diesen, heutigen Freitag nicht vor meinem Kleiderschrank stehe, um über mein Outfit rätseln. Ich muss plötzlich amüsiert grinsen und schüttle den Kopf über mich selbst.  

Mit dem dampfenden Becher in der Hand und guter Laune in meinem Inneren, wandere ich zurück in mein Zimmer, wo ich nun bei offen stehender Tür in meine Schlabber-Wohlfühl-Sachen 'schlüpfe' *.

Alleine in einer so großen Wohnung kommt es deinem dekadent vor sich bei geöffneter Zimmertür um zuziehen; einfach aus dem Grund, weil man so etwas sonst niemals tun würde, wenn noch jemand da wäre...

Aus meiner Anlage dröhnt bald darauf behagliche Musik und ich 'puddel' * durch den menschen- und koversationsfreien Abend. 

Die Zeit fällt wie durch ein Stundenglas, rasch aber beschaulich.


Als ich mich bereits um neun Uhr unter meine Decke kuschle, liegt meine Tasche immer noch in der Küche; und es stört keinen. - Nicht mal mich.

Morgen ist Tag 2 in der 5er WG ohne 5 WG-Bewohner und ich freue mich darauf.



Auch morgen wieder: Je#e allein zu Haus.


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* schlüpfen

Neologismus für: in etwas 'rein steigen', anziehen, einhüllen.

* puddeln

aus dem Norddeutschen, gleichbedeutend mit: ' vor sich hin arbeiten', sich versunken beschäftigen oder gedankenverloren Gegenstände hin- und her räumen. - Kann aber auch im Zusammenhang mit Putzen und Aufräumen verwändet werden.


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